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Risikostratifizierung der akuten Lungenembolie

Einführung

Obwohl die meisten Patienten mit akuter Lungenembolie (LE) eine gute Prognose aufweisen, übersteigt die Gesamtmortalität nach 3 Monaten 15%. Während der ersten 30 Tage nach Diagnosestellung stellt das akute Rechtsherzversagen die häufigste Todesursache dar, und die spätere Mortalität ist oft durch zugrunde liegende Krankheiten wie Herzinsuffizienz, Tumorleiden oder chronische Lungenerkrankungen bedingt.

Die Risikostratifizierung ist nicht nur hilfreich, um die initiale Therapie festzulegen, sondern auch entscheidend für das Langzeit-Management. Ausgewählte Patienten können von der systemischen Thrombolyse oder der chirurgischen Embolektomie profitieren. Die akkurate Risikoeinschätzung hilft auch diejenigen Patienten zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko der Entwicklung einer chronisch-thromboembolischen pulmonalen Hypertonie aufweisen.

 

Möglichkeiten der Risikostratifizierung

Die moderne Risikostratifizierung der Lungenembolie beinhaltet

1. die klinische Beurteilung,
2. EKG,
3. Echokardiographie,
4. kardiale Biomarker und
5. Mehrschicht-Computertomographie.

1. Klinische Beurteilung

Ruhedyspnoe, Zyanose und eine kürzlich stattgefundene Synkope sind Hinweise für eine hämodynamisch signifikante LE. Die klinische Untersuchung zeigt oft Hinweise für eine akute Rechtsherzbelastung wie z.B. Tachykardie, niedriger systemischer Blutdruck, gestaute Halsvenen, akzentuierter zweiter Herzton oder ein systolisches Geräusch infolge Trikuspidalinsuffizienz.

 

Der systolische Blutdruck bei Diagnosestellung ist der stärkste Prädiktor der Spitalmortalität. Bei 2’392 Patienten des Internationalen Cooperativen Lungenembolieregisters (ICOPER) betrug die Dreimonatsmortalität 52.4% bei Patienten mit einem initialen systolischen Blutdruck < 90 mmHg und 14.7% bei Patienten mit einem systolischen Blutdruck ≥ 90 mm Hg (Abbildung 1).

 

Abbildung 1: Kumulative Überlebensrate bei 2’392 LE-Patienten des ICOPER-Registers und initialem systolischen Blutdruck < 90 mm Hg (Massive PE) and ≥ 90 mm Hg (Non-massive PE).

 

Komorbiditäten erhöhen das Risiko für klinische Ereignisse sogar bei anatomisch kleinen LE. Im ICOPER-Register waren fortgeschrittenes Alter, Herzinsuffizienz, Tumorleiden und chronische Lungenkrankheit unabhängige Prädiktoren der Mortalität.

2. EKG

Das EKG ist hilfreich zur Risikostratifizierung der akuten LE. Die T-Wellen-Inversion in den Brustwandableitungen und das Pseudoinfarktmuster (Qr in V1) deuten auf eine Vergrösserung und Dysfunktion des rechten Ventrikels hin. Diese beiden EKG-Zeichen sind ausserdem mit klinischen Ereignissen und Mortalität assoziiert. Das Pseudoinfarktmuster kann auch gelegentlich anhand von Q-Zacken in den rechtsseitigen Brustwandableitungen erkannt werden.

3. Echokardiographie

Die transthorakale Echokardiographie ist nicht sinnvoll, um die Diagnose einer LE bei hämodynamisch stabilen Patienten zu stellen, weil sie einen Normalbefund bei mehr als 50% der Patienten mit LE aufweist. Die Echokardiographie mit Beurteilung der rechtsventrikulären Funktion ist allerdings zur Risikostratifizierung unablässlich. Die notfallmässige Echokardiographie am Krankenbett ist insbesondere für das Management der schweren LE hilfreich. Wenn eine massive LE vermutet wird, können lebensrettende Massnahmen wie die Thrombolyse oder die chirurgische Embolektomie aufgrund der klinischen Untersuchung und des Echokardiographiebefundes ohne Zeitverlust durch weitere bildgebende Verfahren initiiert werden. Diese Untersuchung ist auch in der Differentialdiagnose der schweren LE hilfreich: akuter Myokardinfarkt, Aortendissektion oder Perikardtamponade.

 

Die Echokardiographie ist auch zur Risikostratifizierung von normotensiven LE-Patienten sinnvoll. Bei 1'035 hämodynamisch stabilen Patienten des ICOPER-Registers betrug das 30-Tagesüberleben 83.7% bei Vorhandensein von rechtsventrikulärer Dysfunktion. Bei echokardiographisch erhaltener rechtsventrikulärer Funktion war das 30-Tagesüberleben mit 90.6% signifikant höher.

 

Die echokardiographische Diagnose der rechtsventrikulären Dysfunktion basiert auf folgenden Befunden:
1. rechtsventrikuläre Dilatation,
2. Hypokinesie der freien rechtsventrikulären Wand, und
3. systolische pulmonalarterielle Hypertonie, definiert als erhöhte maximale Geschwindigkeit des Insuffizienzjets über der Trikuspidalklappe von mehr als 2.6 m/s.

Indirekte Zeichen der rechtsventrikulären Drucküberlastung sind ein abgeflachtes Interventrikularseptum, die paradoxe systolische Bewegung des Interventrikularseptums und eine dilatierte Vena cava inferior mit reduzierter Atemvariabilität.

 

Die Echokardiographie ist auch hilfreich bei LE-Patienten um ein offenes Formanen ovale oder ein Vorhofseptumdefekt auszuschliessen. Das offene Foramen ovale (PFO) erhöht bei LE-Patienten das Risiko für eine paradoxe Embolie und einen embolischen Schlaganfall. In einer Studie war der Nachweis des PFO ein ebenso starker Prädiktor der Mortalität wie die arterielle Hypotension. Bei Patienten mit rezidivierender LE und paradoxer Embolie verhinderten der perkutane Verschluss des PFO und die Platzierung eines Vena cava-Filters rezidivierende thromboembolische Ereignisse. Bei Patienten mit akuter LE stellt der echokardiographische Nachweis von Rechtsherzthromben ein erhöhtes Risiko für klinische Ereignisse dar.

Die Echokardiographie ist auch hilfreich für das Langzeit-Management der LE-Patienten. Ein erhöhter systolischer Pulmonalarteriendruck von mehr als 50 mmHg zum Zeitpunkt der LE-Diagnose ist assoziiert mit einem erhöhten Risiko der Entwicklung einer chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie. In einer longitudinalen Studie betrug die kumulative Inzidenz der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie 3.1% ein Jahr nach stattgehabter LE.

4. Kardiale Biomarker

Die kardialen Troponine I und T sowie die natriuretischen Peptide, NT-pro brain natriuretic peptide (NT-proBNP) und brain natriuretic peptide (BNP) sind als wichtige Tools zur Risikostratifizierung etabliert.
 

Kardiale Troponine

Bei Patienten mit akuter LE korrelieren die Troponin-Spiegel mit dem Ausmass der rechtsventrikulären Dysfunktion. Als Pathomechanismus der Troponin-Freisetzung wird eine Mikro-Myokardnekrose infolge Mismatch zwischen erhöhtem Sauerstoffbedarf des versagenden rechten Ventrikels und dem aktuellen Sauerstoffangebot angenommen. Die kardialen Troponine I und T sind hilfreich für die Identifizierung von Patienten mit niedrigem Risiko für klinische Ereignisse. Der negative prädiktive Wert für die Spitalmortalität beträgt 97% für die verschiedenen Troponin-Assays.

 

Natriuretische Peptide

Die natriuretischen Peptide sind hilfreiche diagnostische und prognostische Marker für Patienten mit Herzinsuffizienz. Der Stimulus der BNP-Synthese und Sekretion in die Zirkulation ist ein erhöhter Wandstress auf das Myokard. Die natriuretischen Peptide haben sich ebenfalls bei der Risikostratifizierung der LE durchgesetzt, da sie hilfreich sind Patienten mit einem niedrigen Risiko zu identifizieren. Der negative prädiktive Wert für die Spitalmortalität beträgt 99% für die verschiedenen Assays von NT-proBNP und BNP. Die cut-off-Werte sind allerdings niedriger (z.B. BNP 50 pg/ml) als die cut-off-Werte für die Herzinsuffizienz (z.B. BNP 90 pg/ml).

Bei LE-Patienten mit erhöhtem Biomarker-Spiegel sollte eine Echokardiographie zur weiteren Risikostratifizierung durchgeführt werden. Bei normalen Biomarker-Spiegeln ist hingegen eine Echokardiographie in der Regel nicht indiziert, weil mit grosser Wahrscheinlichkeit keine weitere prognostische Information resultiert.

5. Mehrschicht-Computertomographische Angiographie

Die Mehrschicht-CT-Angiographie des Thorax hat sich als neuer klinischer Standard zur Diagnose der LE etabliert. Mit den CT-Geräten der neueren Generationen können in der gleichen Sitzung standardisierte kardiale Schnitte online rekonstruiert und die ventrikulären Dimensionen gemessen werden. Die rechtsventrikulären (RVD) und linksventrikulären Dimensionen (LVD) werden im rekonstruierten Vierkammerblick gemessen, indem die maximale Distanz zwischen dem ventrikulären Myokard und dem interventrikulären Septum gemessen werden. Die rechtsventrikuläre Dilatation ist definiert als RVD/LVD > 0.9. In einer Studie an 431 LE-Patienten war die im CT erfasste rechtsventrikuläre Dilatation ein unabhängiger Prädiktor der 30-Tagesmortalität (Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Kumulative Überlebensrate bei 155 LE-Patienten mit und 276 LE-Patienten ohne rechtsventrikuläre Dilatation im rekonstruierten CT-Vierkammerblick. RVD/LVD = Verhältnis aus rechts- und linksventrikulärer Dimension.

 

 

Aussichten

Die Risikostratifizierung erlaubt eine rasche und akkurate Erfassung derjenigen LE-Patienten, die ein erhöhtes Risiko für frühe und späte klinische Ereignisse aufweisen. Weitere Forschung ist nötig, um zu bestätigen, dass die verschiedenen Tools zur Risikoeinschätzung geeignet sind Therapieentscheidungen zu treffen. So ist zum Beispiel eine internationale kontrollierte Studie geplant, bei der überprüft wird, ob normotensive LE-Patienten mit positivem Troponin-Test und rechtsventrikulärer Dysfunktion von einer systemischen Thrombolyse profitieren.

 

 

PD Dr. med. Nils Kucher
Klinik für Kardiologie, UniversitätsSpital Zürich

 

 
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25.09.2006 - ssc
 

 

 



 
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