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Hepatitis B

Hepatitis B Virus (HBV) Infektionen sind ein weltweites Gesundheitsproblem. Man schätzt, dass 2 Milliarden Menschen infiziert worden sind, und etwa 360 Millionen Menschen leiden an einer chronischen Hepatitis B. Pro Jahr sterben weltweit etwa 500’000 Menschen an den Folgen einer HBV-Infektion. Auch in der Schweiz ist die chronische Hepatitis B trotz der Einführung der generellen Impfung aller Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren im Jahre 1998 nach wie vor ein wichtiges Problem. Pro Jahr werden etwa 1’000-1’400 Neuansteckungen gemeldet.

 

Diagnose und Abklärung
Die Diagnose einer chronischen Hepatitis B stützt sich auf den Nachweis von viralen Antigenen (HBsAg, HBeAg), HBV-spezifischen Antikörpern (anti-HBc, anti-HBs, anti-HBe), und viraler DNA im Serum. Das eigentliche HBV-Screening wird mit der Bestimmung des HBsAg und der anti-HBc-Antikörper durchgeführt.

 

Screening Test: HBsAg und anti-HBc
Finden sich nur Antikörper gegen HBc, aber kein HBsAg, so hatte der Patient früher eine HBV-Infektion durchgemacht, hat aber aktuell keine Hepatitis B. Sind beide positiv, liegt eine HBV-Infektion vor. Die weiteren serologischen Tests und die Bestimmung der viralen DNA im Serum dienen der Einschätzung der Aktivität der viralen Replikation und der Stärke der Immunantwort.

 

HBeAg, anti-HBe, anti-HBs und HBV-DNA-Bestimmung: Weiterführende Charakterisierung der HBV-Infektion
Das HBeAg wurde früher als Surrogatmarker für die Aktivität der Virusreplikation verwendet. Eine Serokonversion von HBeAg positiv zu anti-HBe war häufig gleichbedeutend mit einem starken Rückgang der viralen Replikation, bedingt durch eine suffiziente Kontrolle des Virus durch das Immunsystem. Heute kann die Virusreplikation mittels Bestimmung der HBV-DNA im Serum genauer quantifiziert werden. Die Bestimmung des HBeAg und/oder anti-HBe wird heute einerseits zur Kontrolle einer Therapie (bei HBeAg positiver chronischer Hepatitis B) verwendet, und andererseits vor allem zur Einteilung der chronisch aktiven HBV-Infektion verwendet. Man unterscheidet die Gruppe der HBeAg positiven von der Gruppe der HBeAg negativen chronischen Hepatitis B. Diese Unterscheidung ist sinnvoll, weil Verlauf und Therapieansprechen in diesen beiden Gruppen unterschiedlich sind (s. unten).

 

Bei der HBV-DNA-Bestimmung gibt es immer noch eine Vielzahl von unterschiedlichen Methoden und Tests. Die Ergebnisse von Analysen in verschiedenen Labors sind deshalb oft recht verschieden. Es gibt allerdings Bemühungen, die HBV-DNA-Bestimmung vermehrt zu standardisieren. Die Einführung eines WHO-Standards, der International Units (IU), erlaubt den Vergleich von Ergebnissen von verschiedenen Labors und von verschiedenen Testverfahren. Dabei ist zu beachten, dass die IU/mL nicht genau der früher üblichen Einheit Kopien/mL oder Genomäquivalenten/mL entspricht. In vielen Labors sind die neuen IU/mL mit einem Umrechnungsfaktor von 2 bis 5 zu multiplizieren, um auf die alten Genomäquivalente zu kommen. Dies ist deshalb wichtig, weil die Grenzwerte für die Klassifizierung der HBV-Infektion vorläufig noch auf Genomäquivalenten/mL beruhen (s. unten).

 

Verlauf

Der Verlauf der chronischen Hepatitis B ist sehr variabel. Er hängt stark davon ab, zu welchem Zeitpunkt im Leben die Infektion erfolgt. Ein Übertragung perinatal oder im Säuglingsalter führt in mehr als 90% zu einer chronischen Infektion, die meist gekennzeichnet ist durch eine lange (20-30 Jahre) Immuntoleranzphase. In dieser Phase der Infektion findet sich eine sehr starke Replikation des Virus, mit Werten über 1 Million IU/mL, aber normale Transaminasen, und histologisch keine oder eine minimale Entzündungsaktivität in der Leber. Im 3. oder 4. Lebensjahrzehnt kann es dann zu einer Sensibilisierung des Immunsystems und zu einer Hepatitis kommen. Häufig findet sich dann eine HBeAg negative chronische Hepatitis B.

 

Am anderen Ende des Spektrums ist die Infektion beim Erwachsenen. Hier kommt es in mehr als 90% der Fälle nach einer mehr oder minder schweren akuten Hepatitis zu einer spontanen Ausheilung. Nur etwa 10% der Patienten entwickeln eine chronische Hepatitis B, die anfangs in der Regel eine HBeAg positive chronische Hepatitis B ist. Eine Spontanheilung kann auch später im Verlauf einer chronischen Hepatitis B auftreten. In verschiedenen placebokontrollierten Therapiestudien fand sich eine spontane Serokonversion von HBeAg zu anti-HBe von 5-15% pro Jahr. Meist bleibt eine chronische Hepatitis B nach dieser spontanen Serokonversion inaktiv, und kann auch ganz ausheilen, was dann durch den Nachweis von protektiven anti-HBs-Antikörper dokumentiert wird (etwa 1% pro Jahr).

 

Ein Teil der Patienten entwickelt aus noch unbekannten Gründen eine HBeAg negative chronische Hepatitis B. Charakterisiert ist diese Form der chronischen Hepatitis B durch ein Fehlen des HBeAgs, eine aktive virale Replikation (Nachweis von > 20'000 IU/mL HBV-DNA im Serum), und erhöhte Transaminasen. Bemerkenswert sind die starken Schwankungen der Aktivität der Hepatitis und der viralen Replikation im Zeitraum über Monate bis viele Jahre. Auch die HBeAg negative chronische Hepatitis B kann spontan in eine langanhaltende inaktive Phase übergehen.

 

Jede chronische Hepatitis B kann aber eine progrediente Schädigung der Leber bis zur Entwicklung einer Leberzirrhose verursachen. Genaue Angaben über die Häufigkeit einer solchen Entwicklung im Schweizer Patientenkollektiv fehlen, aber man geht von etwa 10-30% aus. Eine schwere Komplikation der chronischen Hepatitis B ist das hepatozelluläre Karzinom (HCC). Patienten mit einer chronischen Hepatitis B und einer Leberzirrhose haben pro Jahr ein Risiko von 1-5%, an einem HCC zu erkranken. Es wird deshalb empfohlen, in dieser Situation ein HCC Screening mittels 6 monatlichem Ultraschall der Leber (und eventuell einer 6 monatlichen Bestimmung des Alphafoetoproteins) durchzuführen.

 

Abbildung 1: Natural History der chronischen Hepatitis B

 

 

 

Staging und Terminologie

Nach der Feststellung der HBV-Infektion sollten die weitergehenden Untersuchungen das Stadium der Infektionskrankheit bestimmen, da nur so eine rationale Indikationsstellung der Therapie erfolgen kann. Hierzu dient neben der Anamnese (Zeitpunkt und Art der Ansteckung, Komplikation, Zeichen der Leberinsuffizienz) eine vollständige klinische Untersuchung, die laborchemische Analyse von Blutbild, Quick/INR, Transaminasen, alkalischer Phosphatase, gamma Glutamyltransferase, Bilirubin, Elektrolyte, Kreatinin, Eiweisselektrophorese, Nüchternglucose, vollständige Virusserologie, quantitative HBV-DNA-Bestimmung im Serum und ein Ultraschall des Oberbauches. Eine Leberbiopsie gibt Auskunft über den histologischen Grad der Entzündung und das Stadium der Fibrose. Sie ist nicht unbedingt notwendig zur Indikationsstellung der Therapie, aber häufig sehr hilfreich für die rationale Betreuung der Patienten.

Sowohl die AASLD (American Association for the Study of Liver Diseases) als auch die EASL (European Association for the Study of the Liver) empfehlen folgende Terminologie für die Stadien der HBV-Infektion:

 

Chronische Hepatitis B
Chronische, nekroinflammatorische Leberkrankheit verursacht durch eine persistierende HBV-Infektion. Kann unterteilt werden in HBeAg positive und HBeAg negative chronische Hepatitis B. Diagnostische Kriterien:

  • HBsAg positiv während mehr als 6 Monaten
  • Serum HBV-DNA > 100’000 Kopien/mL
  • Persistierende oder intermittierende ALAT/ASAT-Erhöhung
  • Leberbiopsie mit chronischer Hepatitis (optional)

 

Minimal aktive chronische Hepatitis B
Chronische Hepatitis B mit Transaminasenerhöhung auf weniger als das 2fache des oberen Normwertes.

 

Moderate bis schwer aktive chronische Hepatitis B
Chronische Hepatitis B mit Transaminasenerhöhung auf mehr als das 2fache des oberen Normwertes.

 

Inaktiver HBsAg Carrier State (inaktives HBsAg-Trägerstadium)
Persistierende HBV-Infektion in der Leber ohne signifikante nekroinflammatorische Leberkrankheit. Diagnostische Kriterien:

  • HBsAg positiv während mehr als 6 Monaten
  • HBeAg negativ, anti-HBe positiv
  • Serum HBV-DNA < 100’000 Kopien/mL
  • Persistierend normale ALAT/ASAT
  • Leberbiopsie ohne chronische Hepatitis (optional)

 

Ausgeheilte (St.n.) Hepatitis B
Frühere HBV-Infektion ohne aktuelle virologische, biochemische oder histologische Evidenz einer aktiven Virusinfektion oder einer Leberkrankheit. Diagnostische Kriterien:

  • Anamnestisch bekannte durchgemachte akute oder chronische Hepatitis B oder HBc-AK ± HBs-AK positiv, HBsAg negativ
  • Serum HBV-DNA negativ (aber ganz tiefe Werte können vorkommen)
  • Normale ALAT/ASAT

 

Akute Exazerbation (flare up) einer chronischen Hepatitis B
Intermittierende ASAT/ALAT-Erhöhung mehr als das 10fache des oberen Normwertes und mehr als das 2fache des Ausgangswertes.

 

Reaktivierung einer Hepatitis B
Wiederauftreten einer aktiven, nekroinflammatorischen Leberkrankheit bei Patienten mit inaktivem Carrier State oder ausgeheilter Hepatitis B.

 

Behandlung

Die Indikation zur Behandlung sollte sorgfältig gestellt werden, weil alle heutigen Therapien nur beschränkt erfolgreich sind. Bei fast allen Patienten lohnt es sich, den Verlauf und die Dynamik der Erkrankung zuerst 6 bis 12 Monate (oder auch noch länger) zu beobachten. Grundsätzlich ist die Indikation zur Behandlung gegeben beim Vorliegen einer moderaten bis schwer aktiven chronischen Hepatitis B. Alle anderen Patienten, z.B. Patienten mit minimal aktiver chronischer Hepatitis B oder Patienten in einem inaktiven Trägerstadium sollten nicht behandelt werden. Bei Ihnen sollten vielmehr regelmässig (3-6-12 monatlich) die Transaminasen bestimmt werden.

 

In der Schweiz sind heute folgende Therapien zugelassen:

  1. 1. Interferon alfa-2 (Intron A®, Roferon®-A)
  2. 2. Pegyliertes Interferon alfa-2 (Pegasys®)
  3. 3. Lamivudin (Zeffix®)
  4. 4. Adefovir (Hepsera®)

Es wird erwartet, dass in nächster Zeit auch noch Entecavir und Tenofovir zugelassen werden. Weitere antivirale Medikamente sind in der Spätphase der klinischen Erprobung.

Die meisten Fachleute empfehlen eine Interferon-basierte Therapie für alle Patienten, bei denen nichts dagegen spricht. Der Vorteil der Interferontherapie liegt in ihrer zeitlichen Limitierung. Nachdem in mehreren Studien mit pegyliertem Interferon alfa-2 eine deutlich höhere Wirkung gefunden wurde als mit den herkömmlichen, nicht pegylierten Interferonen, sollte man heutzutage nur noch pegyliertes Interferon alfa-2 einsetzen (siehe auch Besprechung der beiden Arbeiten über pegylierte Interferone und Hepatitis B in dieser Ausgabe). Die Therapie sollte während mindestens einem Jahr durchgeführt werden. Ziel der Therapie ist eine anhaltende biochemische und virologische Remission. Diese wird dokumentiert durch eine Reduktion der Transaminasen auf Werte unter das 2fache des oberen Normwertes, und einen „viral load“ unterhalb von 100’000 Kopien/mL. Im Falle der HBeAg positiven chronischen Hepatitis B kann auch der Verlust des HBeAg aus dem Serum als Marker des virologischen Ansprechens dienen. Das Ziel einer anhaltenden Remission kann in 30-40% der Patienten erreicht werden. Erkauft wird diese im Vergleich recht hohe Ansprechrate durch eine ebenfalls recht hohe Rate an Nebenwirkungen.

 

Patienten, die nicht auf pegylierte Interferone ansprechen, oder bei denen eine Therapie mit pegylierten Interferonen zu gefährlich ist, können mit Lamivudin behandelt werden. Das Medikament hat wenig Nebenwirkungen, und ist ein sehr wirksamer Hemmer der viralen DNA-Polymerase und damit der viralen Replikation. Unter der Therapie sprechen zwar die meisten Patienten mit einer dramatischen Reduktion des „viral load“ und der Transaminasen an, aber nach Absetzen der Therapie findet meist ein Relapse statt. Eine anhaltende (mehr als 6 Monate nach Ende der Therapie) biochemische oder virologische Antwort wurde leider nur bei wenigen Patienten (< 15%) nach einer 1-jährigen Therapie beobachtet. Die Therapie kann zwar länger durchgeführt werden, und damit kann auch die Ansprechrate erhöht werden, aber mit zunehmender Therapiedauer treten in zunehmender Häufigkeit Virusresistenzen gegen Lamivudin auf. Nach 3-jähriger Therapie wurden in mehr als 50% der Patienten resistente Viren entdeckt. Die Selektion solcher Lamivudin resistenter Viren kann zu einem (teils schweren) flare up der chronischen Hepatitis B führen. Deshalb sollten die Transaminasen während einer Lamivudintherapie regelmässig kontrolliert werden. Wird eine Erhöhung der Transaminasen festgestellt, sollte eine quantitative Bestimmung der HBV-DNA im Serum durchgeführt werden, und eventuell auch eine molekularbiologische Resistenzprüfung. Lamivudin resistente Viren können mit Adefovir behandelt werden. In der Schweiz ist dieses Medikament nur zur Behandlung der Lamivudin resistenten chronischen Hepatitis B zugelassen. Ähnlich wie bei Lamivudin gilt auch für dieses Medikament, dass es sehr gut verträglich und sehr wirksam ist. Auch hier treten leider aber nach Absetzen der Therapie häufig Rezidive auf. Die Therapie kann über längere Zeit gegeben werden, und vorteilhaft gegenüber Lamivudin ist die deutlich geringere Rate von Resistenzentwicklungen.

 

Zusammenfassung

Die chronische Hepatitis B ist auch in der Schweiz nach wie vor eine wichtige Krankheit. Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis von viraler DNA, viralen Antigenen (HBsAg) oder spezifischen Antikörpern gegen HBV. Die Therapieindikation ist gegeben beim Vorliegen einer moderat bis stark aktiven chronischen Hepatitis B. Es gibt in der Schweiz mehrere zugelassene Medikamente, und in naher Zukunft werden noch weitere registriert werden. Hemmer der viralen Polymerase wie das Lamivudin und das Adefovir sind nebenwirkungsarm und wirksam. Leider kommt es aber häufig nach einem Absetzen der Therapie zu einem Rezidiv. Deshalb müssen diese Medikamente häufig auf unbestimmte Zeit verabreicht werden. Pegyliertes Interferon alfa-2 ist ebenfalls sehr wirksam, leider aber auch mit beträchtlichen Nebenwirkungen verbunden. Der klare Vorteil einer Therapie mit Interferon alfa ist die zeitliche Limitierung. Falls keine Kontraindikationen vorliegen, wird deshalb eine Therapie mit pegylierten Interferon alfa-2 von den meisten Hepatologen bei nicht vorbehandelten Patienten bevorzugt.

 

Prof. Dr. med. Markus Heim, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Basel.


 

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14.11.2005 - ssc
 
 



 
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