FSP-Studie schliesst Datenlücke
Bisher gab er nur bruchstückhafte oder veraltete Informationen über die psychologische Psychotherapie in der Schweiz. Die Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen FSP hat das politisch unabhängige Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien BASS mit der Durchführung einer Studie beauftragt, deren Ergebnisse nun vorliegen.
Die „Strukturerhebung zur psychologischen Psychotherapie in der Schweiz 2012“ liefert aktuelle und in dieser Form erstmalige Daten zu Angebot, Inanspruchnahme und Kosten. Die Daten zeigen, dass die über den privaten Bereich finanzierten Kosten bedeutend tiefer ausfallen als bisher angenommen. Dies bedeutet, dass auch die zu erwartende Kostenverlagerung beim geplanten Versorgungsmodell tiefer als angenommen ausfällt.
Wichtige und unabdingbare Leistungserbringer
Die Erhebung zeigt, dass rund 5‘700 psychologische PsychotherapeutInnen im Jahr 2012 Psychotherapiearbeit im Umfang von 3‘100 Vollzeitstellen leisteten. Dabei wurden 3.1 Millionen Konsultationen für rund 260‘000 PatientInnen mit klinisch bedeutsamen psychischen Störungen erbracht. Etwa je ein Drittel des Angebots wird in delegierter Praxis, in selbständiger Praxis und in ambulanten oder stationären Institutionen erbracht. Die durchschnittliche Dauer einer Psychotherapie betrug 15 Monate und belief sich auf 29 Sitzungen. Die Mehrheit (60 Prozent) der Therapien waren niederfrequent: sie umfassten 2 bis 20 Sitzungen pro Jahr. Nur 4 Prozent der Therapien benötigten mehr als 40 Sitzungen pro Jahr.
Psychologische PsychotherapeutInnen sind fundiert ausgebildet: Über 90 Prozent erfüllten bereits vor Inkrafttreten die hohen Standards des Psychologieberufegesetzes (PsyG). Sie können mit ihren PatientInnen fast ausschliesslich in unseren Landessprachen kommunizieren – ein sehr wichtiger Aspekt bei der Durchführung einer Psychotherapie.
Die Zahlen aus der Erhebung lassen darauf schliessen, dass die Versorgung den Bedarf nicht deckt, insbesondere bei Personen, die eine Therapie brauchen und in Anspruch nehmen möchten, diese aber nicht selbst finanzieren können.
Vergleichsweise geringer Kostenanteil
Gesamthaft erbrachten die psychologischen PsychotherapeutInnen 2012 Leistungen im Umfang von 406 Millionen Franken im ambulanten Bereich. Rund 70 Prozent dieser Kosten übernahmen die Sozialversicherungen respektive die öffentliche Hand. Mit 117 Millionen Franken wurden knapp 30 Prozent der Kosten privat getragen, das heisst von den PatientInnen selbst bezahlt oder über Zusatzversicherungen abgegolten. Bisherige Hochrechnungen gingen von einem weitaus höheren Betrag aus1. Anhand von zusätzlichen Daten, welche freundlicherweise von der SASIS AG, einer Tochterfirma der santésuisse, zur Verfügung gestellt wurden, konnten die Ergebnisse zu den Kosten der Grundversicherung verglichen und plausibilisiert werden. Der Vergleich zeigt eine sehr hohe Übereinstimmung und spricht für eine hohe Datenvalidität.
Neuregelung: Kosten tiefer als angenommen
Psychische Störungen verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten, insbesondere durch indirekte Kosten wie bspw. Arbeitsabsenzen oder Frühpensionierungen. Schätzungen für die Schweiz liegen bei über 11 Milliarden Franken pro Jahr.2 Eine adäquate Grundversorgung im Bereich der psychischen Gesundheit ist nötig und dringend. Psychologische PsychotherapeutInnen können und wollen ihren Beitrag zur Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen leisten. Das Psychologieberufegesetz, welches im April 2013 in Kraft getreten ist, regelt nun die Anforderungen an den Psychotherapie-Beruf auf Gesetzesebene. Die Basis ist somit geschaffen, dass psychologische PsychotherapeutInnen anhand einer ärztlichen Anordnung ihre Leistungen für Behandlungen von psychischen Störungen mit Krankheitswert selbständig über die Grundversicherung abrechnen können.
Die in der Studie erhobenen Daten zu den Kosten der psychologischen Psychotherapie ermöglichen es, Schätzungen hinsichtlich der absehbaren Kostenverlagerung aus dem privaten Bereich (Selbstzahlung und Zusatzversicherung) und der öffentlichen Hand hin zur Grundversicherung vorzunehmen. Diese zeigen, dass bei einer Neuregelung im Sinne des Anordnungsmodells mit einer Kostenverlagerung von höchstens 131 Millionen Franken zu rechnen ist.
Die durch eine Verlagerung anfallenden Kosten entsprechen demgemäss rund 1.3 Prozent der 2012 über TARMED abgerechneten ambulanten Gesundheitskosten, respektive 0.6 Prozent der von der Grundversicherung im Jahr 2011 bezahlten Leistungen3. Die für diese Schätzungen angenommene komplette Verlagerung aller bisherigen privat getragenen Kosten ist jedoch unwahrscheinlich, weshalb davon auszugehen ist, dass die effektive Zahl tiefer ausfallen wird: Es ist anzunehmen, dass ein wesentlicher Anteil der PatientInnen ihre Kosten auch weiterhin aus der eigenen Tasche bezahlen wird (sie wollen nicht als krank gelten oder wollen nicht, dass ihre Psychotherapie bei der Krankenkasse aktenkundig wird).
Diese Zahl ist weitaus tiefer als von bisherigen Schätzungen angenommen1,4. Die durch das Anordnungsmodell entstehenden Mehrkosten zu Lasten der OKP sind zudem an den mittelund langfristigen Einsparungen durch direkte und indirekte Kosten psychischer Störungen zu relativieren.
P Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen
11.09.2013 - dzu