100 Jahre Neonatologie in Zürich
Waren einst zu früh geborene Kinder dem Tod
geweiht, haben sie heute gute Überlebenschancen. Eine Stadt, die
als Pionierstadt in der Frühgeborenenmedizin gilt, ist Zürich. 1908
wurde hier das erste staatliche Säuglingsheim Europas gegründet.
Aller Anfang ist schwer, und ein früher ist's noch mehr. Dies gilt insbesondere für sogenannte Frühchen, Babys, die vor der 28. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen. Für sie ist eine umfassende Betreuung überlebenswichtig, wie es an einer Medienkonferenz des Universitätsspitals Zürich (USZ) vom Dienstag hiess.
Erste staatliche Einrichtung Europas
Die erste staatliche Institution in Europa, die sich der Neugeborenen annahm, war das kantonale Säuglingsheim in der Villa Rosenberg. Hier wurden ab 1908 Neugeborene betreut, von denen damals jedes zwanzigste die ersten 28 Tage nicht überlebte.
Geleitet wurde das Heim damals von einem einzigen Arzt im Nebenamt, der von sechs Pflegenden unterstützt wurde. Fachspezifische Kenntnisse gab es kaum. Zu den medizinischen Hauptproblemen zählte denn auch der Kampf gegen die Unterernährung der Säuglinge.
Seither haben sich die Diagnosemöglichkeiten und Behandlungsmethoden grundlegend gewandelt, wie Ulrich Bucher, Direktor der Klinik für Neonatologie ausführte.
In der Villa Rosenberg wurden die Babies isoliert. Selbst die Eltern durften wegen der Angst vor Infektionen ihre Kinder nur durch eine Glasscheibe betrachten. Heute kommt den Eltern eine aktive Rolle zu.
Man wisse inzwischen nämlich, wie wichtig Hautkontakt sei. Die "Känguru-Methode" helfe dem Neugeborenen, die Keime der Mutter aufzunehmen. "Dies ist ein besserer Schutz, als wenn man das Kind den viel gefährlicheren Spitalkeimen aussetzt", sagte Bucher.
Hochspezialisierte Fachdisziplin
Die Villa Rosenberg ist also längst Geschichte, sie wurde 1978 geschlossen. Die Neonatologie hat sich zu einer hochspezialisierten Fachdisziplin entwickelt, die sich in erster Linie mit extrem früh Geborenen und deren Problemen befasst. Eine der führenden Kliniken der Schweiz besteht am Universitätsspital Zürich (USZ).
In der Klinik für Neonatologie stehen über 80 Fachmediziner und Pflegende rund um die Uhr für die kleinsten der kleinen Patienten im Einsatz. 28 Betten und eine Vielzahl von Apparaten und technischen Hilfsmitteln stehen bereit, um jährlich rund 600 Frühgeborene und Neugeborene mit komplexen Fehlbildungen möglichst umfassend zu behanden.
Die Auslastung der Betten liegt bei durchschnittlich 93 Prozent, Tendenz steigend. Ein Grund dafür seien die zunehmend älter werdenden Erstgebärenden, aber auch die künstlich erzeugten Mehrlingsschwangerschaften, sagte Rita Ziegler, Vorsitzende der USZ-Direktion.
Gegenwärtig liegt die Zahl der jährlichen Geburten am USZ bei rund 2400, wie Roland Zimmermann, Direktor der Klinik für Geburtshilfe, ausführte. Rund ein Fünftel davon sind Frühgeburten. Dazu kommen 120 Mehrlingsgeburten sowie 260 Kinder mit Fehlbildungen. Rund 280 Mütter, die ans USZ kommen, haben mit schweren sozialen Problemen oder Drogensucht zu kämpfen.
sda
11.07.2008 - gem