Die Bewertung des Nutzens von Gesundheitsleistungen aus ökonomischer Sicht
Eberhard Wille, Universität Mannheim (D)
Beurteilung von Leistungen
Als primärer Anhaltspunkt kann zur Beurteilung einer Leistung der gesundheitliche Nettonutzen herangezogen werden, wo die rein medizinischen Wirkungen zum Tragen kommen, ohne die Kosten zu beachten. Ist der Gesundheitsnutzen negativ, kann man sich alle ökonomischen Überlegungen sparen. Ist der Gesundheitsnutzen positiv, kommt der Ökonom ins Spiel, um die Nutzen-Kosten Relation zu beurteilen.
Bei gewährten Leistungen besteht dann eine optimale Versorgung, wenn der Nutzen die Kosten übersteigt. Wenn hingegen die Kosten grösser sind als der Nutzen, spricht man von einer Überversorgung (wenn die Leistung gewährt wird). Wird die Leistung bei positivem Nutzen-Kosten-Verhältnis jedoch nicht gewährt, resultiert eine Unterversorgung. Illustration siehe Tabelle:
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Gesundheitlicher Nettonutzen als Ansatzpunkt der ökonomischen Bewertung | |
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Mögliche Analysemethoden
Als Nutzen-Kosten-Analysen kommen im gesundheitsökonomischen Bereich am häufigsten die Wirksamkeits-Kosten- und die Nutzwert-Kosten-Analysen zur Anwendung. Im ersten Fall wird der Nutzen oft als ein klinischer Indikator wie zum Beispiel der Mortalität angegeben, im zweiten Fall als so genannte QALYs (quality-adjusted life year), welche verschiedene Faktoren beinhalten und die zusätzlichen Lebensjahre unter Berücksichtigung der Lebensqualität bemessen.
Ziele von Gesundheitsleistungen
- Verbesserung der gesundheitlichen Situation wie etwa eine höhere Lebenserwartung oder eine Verbesserung der Lebensqualität
- Steigerung der Arbeitsproduktivität und damit – aus volkswirtschaftlicher Perspektive – des realen Wachstums der Volkswirtschaft
- Erzeugung von Kapazitätseffekten durch Erweiterung des Produktionspotentials
- Bei relativ hoher Arbeitslosigkeit: Schaffung von Nachfrage in einem beschäftigungsintensiven Wirtschaftssektor
Subjektiver und objektiver Nutzen
Wie Wille ausführte, ist die Erhebung subjektiver Indikatoren nicht nur eine Ergänzung zu objektiven Indikatoren, sondern für die Bewertung von medizinischen Massnahmen letztlich ebenso entscheidend: Denn wenn ein objektiver Nutzen besteht, ohne die Zufriedenheit der Patienten zu verbessern, macht eine Gesundheitsleistung wenig Sinn.
Vorsicht vor zu schnellen Rückschlüssen
„Man muss“, so Wille, „allerdings vorsichtig sein, wenn man aus diesen Indikatoren Rückschlüsse auf die Leistungsfähigkeit von nationalen Gesundheitssystemen zieht.“ Transsektorale Determinanten (Bildungswesen, Umweltqualität, Wohnverhältnisse, Verkehrssicherheit, Wanderungsintensität), prädisponierende Faktoren (Erbfaktoren, Geschlecht, Alter, Hautfarbe, Krankheitsgeschichte) und sozialer Status sowie der Lebensstil (Einkommen, Vermögen, Ausbildung, Beruf, Ernährung, Gesundheitsverhalten) tragen insgesamt häufig viel stärker zur Gesundheit des Individuums bei als die medizinische Infrastruktur.
Dass Gesundheit nicht notwendig das Ergebnis eines guten Gesundheitswesens sein muss, wird im Ländervergleich deutlich. Folgende Abbildungen zeigen beispielsweise die Lebenserwartungen von Männern und Frauen in 14 OECD-Ländern:
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Lebenserwartung von Frauen im Jahre 2005 in 14 OECD-Ländern | |
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Lebenserwartung von Männern im Jahre 2005 in 14 OECD-Ländern | |
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Es fällt auf, dass die USA und Deutschland mit hohen Gesundheitsausgaben weit unter dem Durchschnitt liegen, obwohl gerade in diesen Ländern ein Medikament am schnellsten in den sozialen Leistungskatalog aufgenommen wird. Und am Beispiel von Frankreich zeigt sich, dass Französinnen wohl eine überdurchschnittliche, die Männer in Frankreich jedoch eine unterdurchschnittliche Lebenserwartung haben. Beide leben jedoch im gleichen Land mit dem gleichen Gesundheitssystem.
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Mediscope |
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23.11.2007 - dde |
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