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Antikörper- und Radioimmuntherapie in der Behandlung von indolenten und aggressiven Lymphomen

Hintergrund

Die Inzidenz der malignen Lymphome hat in der westlichen Welt in den letzten 30 Jahren um 3-4% jährlich zugenommen. Fast 90% aller Non-Hodgkin-Lymphome gehören dem B-Zell-Typ an. Die malignen Lymphome weisen einen Immunphänotyp auf, der für die meisten Subtypen spezifisch ist und sich sowohl diagnostisch wie therapeutisch nutzen lässt. CD-20 ist ein membrangebundenes Phosphoprotein, welches bei den B-Lymphozyten in hoher Dichte während den meisten Stadien der Reifungszeit (Ausnahme: Stammzelle, prä-B-Lymphozyt und reife Plasmazelle) exprimiert wird und in der Routinediagnostik immunhistochemisch gut nachgewiesen werden kann.

 

Einen paradigmatischen Schritt zur gezielten Immuntherapie in der Medizingeschichte stellt der chimäre Anti-CD-20-Antikörper Mabthera® dar. Dieser wurde 1993 erstmals klinisch angewendet und hat sich bereits 1998 zuerst für die Indikation der rezidivierenden follikulären und dann auch als Erstlinientherapie ebenso für aggressive B-Zell Non-Hodgkin-Lymphome als Blockbuster etabliert. Dieser Anti-CD-20-Antikörper ist gut verträglich. Die standardmässige Therapie für indolente Non-Hodgkin-Lymphome dauert nur 4 Wochen und kann ambulant erfolgen. Mabthera® wirkt synergistisch mit den üblichen Zytostatika, und in vielen klinischen Studien konnte die Remissionsdauer in der Kombination mit Chemotherapie wesentlich verbessert werden. Dass sich bei den aggressiven Non-Hodgkin-Lymphomen auch das Gesamtüberleben verbessern liess, ist ein Meilenstein in der Lymphombehandlung [1]. Bezüglich der indolenten Lymphome mit einer mittleren Lebenserwartung von 7-10 Jahren ist es verständlicherweise noch unklar, inwieweit auch hier mit diesem neuen Antikörper die Gesamtüberlebenszeiten wesentlich beeinflusst werden kann.

 

Im Folgenden fassen wir die wichtigsten aktuellen Daten für die Anwendung von Mabthera in der onkologischen Praxis kurz zusammen.

 

Antikörpertherapie mit Anti-CD-20 (Rituximab Mabthera®)

Indolente Non-Hodgkin-Lymphome (NHL)

Als Prototyp der indolenten NHL gilt das follikuläre NHL Grad I und Grad II. Bei Grad III-follikulären NHL wird in der Regel therapeutisch vorgegangen wie bei einem aggressiven Non-Hodgkin-Lymphom vom Typ Diffuse-Large-B-Zell-Lymphom (s. dort). Mabthera® hat in der Behandlung der bereits vorbehandelten Patienten mit follikulären Lymphomen eine Ansprechrate von 50-60% gezeigt, mit einer kompletten Remissionsrate von 5-10% und einer Remissionsdauer von ca. 12 Monaten.

 

Bei Patienten, die auf Mabthera® initial gut angesprochen hatten und beim Rückfall wiederum nur mit Mabthera® behandelt wurden, konnte gezeigt werden, dass auch in dieser Situation die Ansprechrate bei ca. 40% liegt, mit 10% kompletten Remissionen und 30% partiellen Remissionen.

 

Bei unbehandelten Patienten beträgt die Ansprechrate gut 70% mit 33% kompletten Remissionen, wobei die komplette Remissionsrate nach einem Jahr weiter auf 41% anstieg, mit einer Remissionsrate von 80% zum Zeitpunkt nach einem Jahr [3]. Diese Daten basieren auf der standardmässigen total 4-wöchentlichen Behandlung mit Mabthera®, verabreicht in der Dosis von 375 mg/m2 i.v. pro Woche.

 

Aggressive Non-Hodgkin-Lymphome

Mit der französischen Studie der GELA-Gruppe wurde nach mehr als 30 Jahren der «Golden Standard» der CHOP-Chemotherapie erstmals durch eine auch bezüglich des Überlebens wirksamere Therapie, nämlich der Kombination Mabthera® mit CHOP abgelöst [1]. (Siehe Tabelle). Die im NEJM publizierten Daten sind nun in einem Update bezüglich des 5-Jahresüberlebens erneut vorgestellt worden und weiterhin ist der Unterschied hoch signifikant mit einer eher tendenziell zunehmenden Verbesserung zugunsten des Mabthera®/CHOP-Armes. Interessant ist, dass der Unterschied nach IPI (International Prognostic Index) aufgetrennt ausgeprägter ist zugunsten der Niedrig-Risikopatienten, d.h. Patienten mit einem IPI von 0 oder 1. Der Überlebensvorteil zu Gunsten von CHOP-Mabthera® ist für die Patienten > 70 Jahre ebenso eindrücklich wie für die Patienten im Alter 65-70 Jahre.

 

Antikörpertherapie mit Anti-CD-52 (Alemtuzumab MabCampath®)

Hintergrund

Wegen der hohen Dichte an Anti-CD-20 bei aggressiven und follikulären Non-Hodgkin-Lymphomen hat der Antikörper Rituximab dort seine grösste Wirksamkeit erlangt. Auf den reifen lymphatischen Zellen der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) wird das Antigen CD-20 weniger stark exprimiert. Sehr viel dichter ist auf diesen Zellen das Antigen CD-52. Der Antikörper Alemtuzumab greift über dieses Antigen den Lymphozyten an und löst sowohl eine komplementvermittelte zytotoxische als auch eine antikörpervermittelte Reaktion aus, an der die Zelle zugrunde geht.

 

Behandlung

Alemtuzumab hat seinen Stellenwert dort, wo die chemotherapeutischen Möglichkeiten, nach Einsatz von Fludarabin, in der Behandlung der CLL ausgeschöpft sind. Die Behandlung erfolgt nach einer initialen intravenösen Testdosis, subkutan. Akute Nebenwirkungen, wie allergische Reaktionen, sind infusionsabhängig und kommen meist nur bei der initialen Applikation vor. Die Myelotoxizität ist in der Regel kurz anhaltend, im Gegensatz zu der über Monate dauernden schweren Immunsuppression. Der Grund liegt bei einer T-Zell-Depletion, die sich oft erst nach einem Jahr wieder normalisiert. Opportunistische Infekte wie Pneumozystis carinii Pneumonien, CMV-Reaktivierung und Herpesinfektionen werden dadurch begünstigt. Eine prophylaktische Therapie und eine engmaschige klinische Kontrolle des Patienten ist dringend notwendig.

 

Die Antikörpertherapie mit Alemtuzumab MabCampath® bei stark vorbehandelten auf Fludarabin resistente CLL-Patienten, zeigt ein Ansprechen von 33% und ein verlängertes Intervall bis zur Tumorprogression von 9.5 Monaten gegenüber einem Beobachtungsarm [2]. Die Substanz hat dadurch einen festen Stellenwert bei der Behandlung der fortgeschrittenen CLL erlangt. Etabliert ist die Substanz auch in der Therapie von kutanen T-Zell-Lymphomen wie der Mycosis fungoides und dem Sézary-Syndrom. Der Einsatz von Alemtuzumab in Kombination mit einer Chemotherapie insbesondere bei peripheren T-Zell-Lymphomen wird derzeit im Rahmen von Studien geprüft.

 

Radioimmuntherapie

Hintergrund

Die Bedeutung der zielgerichteten Behandlung in der Onkologie erfuhr mit der Entwicklung des Antikörpers Rituximab (Mabthera®) ihren Durchbruch. Die Kopplung des Antikörper an ein radioaktives Teilchen ist die logische Fortführung der spezifischen Tumortherapie. Die Anti-CD-20-Radioimmunotherapie mit der Einführung von 90-Y-Ibritumomab Tiuxetan (Zevalin®) in Europa und Iod-131 Tositumomab (Bexxar®) in den USA, hat die Behandlungskonzepte beim Non-Hodgkin-Lymphom nochmals um eine Dimension erweitert.

 

Die Grundlage der spezifisch antikörpervermittelten Bestrahlung bildet wie bei Mabthera® das in mehr als 90% der Non-Hodgkin-Lymphome vorkommende CD-20-Antigen. Die Radionuklide Iod-131 und Yttrium-90 können stabil an den Antikörper gebunden werden und erfüllen damit eine wichtige Bedingung für die Radioimmuntherapie. Die beiden Radionuklide unterscheiden sich in Bezug auf die Emissionseigenschaften und die physikalische Halbwertszeit.

 

Yttrium-90 Ibritumomab Tiuxetan (Zevalin®) setzt sich aus Yttrium-90, einem Betastrahler mit einer Halbwertszeit von 64 Stunden, und dem murinen Anti-CD20-Antikörper (Ibritumomab), einem Vorgänger des Mabthera (Rituximab), des chimären Anti-CD20-Antikörper, zusammen.
Durch den sogenannten «cross-fire-effect» werden Antigen negative Tumorzellen, die in wenigen Millimeter Entfernung des an den Tumor gebundenen Antikörpers liegen, ebenfalls beeinflusst. Dies kann besonders bei heterogenen Tumoren oder sehr grossen Tumorkonglomeraten mit schlechter Vaskularisation von Vorteil sein. Die Milzgrösse und das Ausmass der Knochenmarkinifltration spielt bei der Verteilung des Antikörpers eine wichtige Rolle und ist für die Indikationsstellung mitentscheidend. Eine Behandlung mit Yttrium-90 Ibritumomab Tiuxetan (Zevalin®) lässt sich ambulant durchführen. Der hohe Anteil an gebundenem Radionuklid an den Antikörper führt dazu, dass die Substanz kaum über den Urin ausgeschieden wird. Im Gegensatz dazu macht eine Behandlung mit Iod-131 Tositumomab (Bexxar®; bisher in Europa nicht zugelassen) wegen der langen Halbwertszeit des Radionuklids eine Hospitalisation notwendig. Die Strahlenemissionsgrenzen in der Schweiz sind strikter als in den USA und würden eine Spitalentlassung erst 3-4 Wochen nach Radioimmuntherapie erlauben. Eine Organdosimetrie ist in jedem Fall vor der Applikation des Radionuklides notwendig. Gammastrahler, wie Iod-131 können aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften mit einer Kamera erfasst werden, während bei Yttrium-90 für das Imaging zusätzlich Indium-111 eingesetzt werden muss.

 

In der Schweiz wird aus den genannten logistischen Gründen vorwiegend Zevalin® eingesetzt, welches jetzt die Zulassung erhalten hat. Die Indikation ist für die Behandlung von rezidivierten oder refraktären indolenten follikulären oder transformierten NHL vom B-Zell-Typ zugelassen. Eine Kassenpflicht besteht noch nicht, jedoch gibt es für nicht zusatzversicherten Patienten in der Schweiz eine kulante Vereinbarung mit der SVK (Schweizerischer Verband für Gemeinschaftsaufgaben der Krankenversicherer) für die Kostenübernahme.

 

Therapie

Eine Phase-III-Studie prüfte die Radioimmunotherapie im Vergleich zur alleinigen Antikörpertherapie bei rezidivierten oder therapierefraktären oder transformierten niedrigmalignen NHL. Die 143 Patienten erhielten Zevalin® einmalig oder den Anti-CD-20-Antikörper Mabthera® viermal in wöchentlichen Dosen. Das Therapieansprechen in der Gruppen der Radioimmunotherapie betrug 80% vs. 56% für die Antikörperbehandlung. Komplette Remissionen wurden in 30% resp. 16% erreicht. Eine Neutropenie von weniger als 0.5 g/L resp. Thrombozyten kleiner 10 g/L resp. ein Hämoglobinwert von kleiner 65 g/L trat bei 33%; 13% und 3% der Patienten auf [3]. Die Hämatotoxizität kommt typischerweise verzögert 4-8 Wochen nach Applikation der Radioimmuntherapie. Glieder- und Muskelschmerzen (22%), Übelkeit (28%) und Asthenie (37%) sind die häufigsten nicht hämatologischen Nebenwirkungen. Befürchtete Langzeittoxizitäten wie eine erhöhte Inzidenz von Myelodysplastischen Syndromen und akuten Leukämien konnten bisher nicht festgestellt werden.

 

Die Studien in der Erstlinienbehandlung der niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphome im Sinne einer konsolidierenden Radioimmuntherapie sind noch nicht abgeschlossen. Es scheint aber, dass die Wirksamkeit in diesem Patientenkollektiv am nachhaltigsten ist und hier wohl die Hauptindikation der Zukunft liegt.

 

Zusammenfassend hat der Einzug von Mabthera® in die Behandlung der NHL zuerst einmal für die Patienten die Möglichkeit geschaffen, ohne Chemotherapie auch in fortgeschrittenen Stadien wirksam, gut verträglich und auch wiederholt erfolgreich behandelt werden zu können. Die Erwartung, dass damit die Ära der Chemotherapie für die NHL-Behandlung überwunden wird, hat sich jedoch nicht erfüllt. Vielmehr ist durch die synergistische Wirkung von Mabthera® mit den Chemotherapeutika ein neuer Meilenstein in der Behandlung der aggressiven NHL gesetzt worden, der eine Folge von verschiedensten Kombinationsmodalitäten mit Intensivierung, Konsolidations- und Erhaltungstherapien ausgelöst hat, deren Resultate wir nun mit Spannung erwarten dürfen.

 

Analog Mabthera® hat die Behandlung der chronisch lymphatischen Leukämie mit dem Antikörper MabCampath® neue Möglichkeiten eröffnet, die in naher Zukunft auch anderen lymphatischen Erkrankungen dienlich sein könnten.

 

Die Radioimmuntherapie wiederum lässt hoffen, dass in der Behandlung sowohl der indolenten als auch der aggressiven Lymphome eine weitere Verbesserung der Remissionsqualität gegenüber der alleinigen Antikörpertherapie beziehungsweise der Chemotherapie erreicht werden kann.

 

 

Prof. Dr. med. Thomas Cerny, Chefarzt, Frau Dr. Felicitas Hitz, Oberärztin, Fachbereich
Onkologie/Hämatologie, Kantonsspital St. Gallen.

 

 

Referenzen
1. Coiffier B, Lepage E, Brière J et al. CHOP chemotherapy plus rituximab compared with CHOP alone in elderly patients with diffuse large-B-cell lymphoma. N Engl J Med 2002; 346: 235-242.
2. Keating MJ, Flinn I, Jain V et al. Therapeutic role of alemtuzumab (Campath-1H) in patients who have failed fludarabin: results of a large international study. Blood 2002; 99: 3554-3561.
3. Witzig Th, Gordon L, Cabanillas F, Czuczman M et al. Randomized Controlled Trail of Yttrium-90- Labeled Ibritumomab Tiuxetan Radioimmunotherapy Versus Rituximab Immunotherapy for Patients with Relapsed or Refractory Low-Grade, Follicular, or Transformed B-Cell Non-Hodgkin’s Lymphoma. J Clin Oncol 2002; 20: 2453-2463.

 
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04.04.2005 - dde
 



 
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