Antibiotika bei RhinosinusitisWirkung von Amoxi/Clav in klinisch diagnostizierten Rhinosinutiden.
FragestellungWie gut wirkt Amoxicillin/Clavulanat bei akuter Sinusitis?
HintergrundIn der Allgemeinpraxis ist die akute Rhinosinusitis eine der häufigsten Diagnosen für die Antibiotika verschrieben werden, obwohl es nur bei ca. 2-3% zu einer sekundären bakteriellen Infektion kommt. Ein wichtiger Grund für diesen übermässigen Gebrauch von Antibiotika ist das Fehlen eines einfach durchführbaren diagnostischen Tests, der dem Hausarzt erlauben würde akkurat genug zwischen akut viraler und bakterieller Rhinosinusitis zu unterscheiden. Der Ultraschall, das Röntgenbild und das CT sind zwar ergänzend sinnvoll, können aber meist nicht zwischen viraler und bakterieller Sinusitis unterscheiden, sind nicht immer sofort erhältlich und führen zu zusätzlichen Kosten. Der überschiessende Gebrauch von Antibiotika verursacht vermehrt die Bildung und Verbreitung von Antibiotikaresistenzen. Die Evidenz für den Gebrauch von Antibiotika für eine akute Rhinosinusitis im ambulanten Bereich ist bis anhin limitiert.
Das Design dieser Studie reflektiert somit die klinische Annäherung an einen Patienten mit unkomplizierter akuter Rhinosinusitis, wie es in der ambulanten Praxis auch erfolgt.
MethodenStudiendesignRandomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Studie.
SettingAmbulante Patienten aus 24 Hausarztpraxen im Raum Basel und aus den Ambulatorien der Medizin und Otorhinolaryngologie des Universitätsspitals Basel.
Die Patienten wurden während 4 aufeinander folgenden Wintersaisons (1997-2001) rekrutiert.
EinschlusskriterienWiederholt purulenter Nasenausfluss und einseitige od. beidseitige Schmerzsymptomatik der Sinus maxillares oder Sinus frontales während mindestens 48 Std. bzw. maximal 1 Monat. Nachweis von Eiter in der Rhinoskopie (im Verlauf wurden auch solche ohne Eiternachweis eingeschlossen, da > 50 dieses Einschlusskriterium erfüllt haben).
AusschlusskriterienAlter unter 18 Jahren, oberer Atemwegsinfekt oder Gebrauch von Antibiotika in den letzten 4 Wochen, oberer Atemwegsinfekt oder intermittierendes Fieber während mehr als 4 Wochen, Fehlbildungen der nasalen Kavitäten oder des Pharynx, immunosuppressive Behandlung, HIV, Antibiotikaallergie, SS oder Stillen, Nichtbeherrschen einer der nationalen Sprachen.
Nachdem ein Patient in der Placebogruppe im 2000 einen Hirnabszess entwickelt hatte, wurden alle Patienten mit einem CRP > 100 mg/l nicht mehr eingeschlossen.
UntersuchungAm Tag 0 Fragebogen, klinische Untersuchung, Rhinoskopie, occipitomentales Rx der Sinus maxillares et frontales (Befundung durch 2 unabhängige Radiologen), weisses Blutbild und CRP.
Am Tag 7 zweite klinische Untersuchung und erneut Fragebogen sowie Festhalten der Anzahl eingenommener Tabletten. Am Tag 14 und 28 wurden die Patienten durch die Study Nurse telefonisch kontaktiert.
Primäre EndpunkteZeit bis zur Heilung.
Sekundäre Endpunkte
BeobachtungsdauerDie Beobachtung hat 28 Tage gedauert.
ResultateBasisdatenInsgesamt wurden 252 Patienten randomisiert, 124 haben die Studie in der Behandlungsgruppe und 125 in der Kontrollgruppe abgeschlossen.
Gruppenvergleich der EndpunkteDurchschnittlich haben die Rhinosinusitis-assoziierten Beschwerden 5 Tage in der Behandlungsgruppe und 4 Tage in der Kontrollgruppe gedauert.
65.3% der Patienten in der Behandlungsgruppe und 66.9% in der Kontrollgruppe hatten Eiter in der Rhinoskopie.
Primäre EndpunkteNach 7 Tagen Behandlung waren 29.8% der Patienten in der Behandlungsgruppe und 30.7% in der Placebogruppe beschwerdefrei. Nach 14 Tagen waren es 76.6% und 74%.
Sekundäre EndpunkteIn keiner der beiden Gruppen war sowohl am Tag 7 als auch am Tag 14 ein statistisch signifikanter Unterschied in der durchschnittlichen Anzahl Tage mit subjektiven Einschränkungen nachzuweisen.
Zwei Patienten (1.6%) in der Amoxicillin-Clavulansäure-Gruppe und 5 Patienten (4%) in der Placebogruppe hatten eine rekurrierende Rhinosinusitis nach 28 Tagen. Nach 7 und 14 Tagen war Diarrhoe signifikant häufiger in der Amoxicillin-Clavulansäure-Gruppe.
In der Placebogruppe kam es zu einem «serious disease-related adverse event», nämlich nach 2 Wochen symptomatischer Behandlung und einer Woche mit Amoxicillin-Clavulansäure (zweimal 1 gr/Tag) folgte ein Hirnabszess mit einem Amoxicillin-Clavulansäure empfindlichen Streptococcus milleri.
Diskussion durch die AutorenDie Autoren selbst führen an, dass ihre Studie gewisse Limitationen aufweist. Eine davon könne sein, dass die Einschlusskriterien nach einem Jahr geändert werden mussten, da ansonsten nicht genügend Patienten rekrutiert werden konnten. Dadurch sei die Anzahl bakterieller Rhinosinusitiden vermutlich kleiner gewesen, als initial vermutet. Zudem wird in den US Guidelines empfohlen eine akute Rhinosinusitis erst nach 7 Tagen antibiotisch zu behandeln. In dem Studiensetting erfüllten nur 32% der Patienten diese Voraussetzung. Dies zusammen mit der Veränderung der Einschlusskriterien hat zu einer Verringerung der Power der Studie geführt.
Die Autoren schliessen aus ihren Resultaten, dass bei akuter Rhinosinusitis nicht primär antibiotisch behandelt werden sollte, sondern eine zunächst symptomatische Behandlung absolut gerechtfertigt ist.
Zusammenfassender KommentarAuch mit den von den Autoren genannten Limitationen zeigt die Studie doch, dass sowohl mit Antibiotikum als auch ohne Antibiotikum die Heilungsdauer in etwa die Gleiche ist. Ein Zuwarten mit der antibiotischen Therapie ist sicher gerechtfertigt. Durch Einhaltung der US Guidelines, welche eine antibiotische Therapie erst nach 7-10-tägiger Symptomatik empfehlen, können viele Antibiotika eingespart werden, ohne vermehrte Komplikationen in Kauf zu nehmen.
Gleiche Resultate wie die Basler Studie zeigt eine Studie aus Amerika, die ebenfalls Amoxicillin mit Placebo bei akuter Rhinosinusitis verglich (The Journal of Family Practice; April 2002;Vol. 51, No. 4). Diese Studien haben nur Erwachsene eingeschlossen, doch gibt es auch Studien die aufzeigen, dass das abwartende Verhalten auch bei Kindern gerechtfertigt ist (Garbutt JM et al; Pediatrics 2001;107:619-625).
Ein Zuwarten mit der antibiotischen Therapie impliziert aber, dass die Patienten nachkontrolliert werden, eben um bei Persistenz der Symptomatik, dann antibiotisch zu behandeln und so den Komplikationen vorzubeugen.
Besprechung von Dr. med. A. Corsenca, Assistenzarzt, FB Infektiologie/Spitalhygiene, Kantonsspital St.Gallen Arch Intern Med 2003;163:1793-1798 - H. C. Bucher et al
01.08.2004 - dde |
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