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«Weisser» Hautkrebs (epitheliale Hauttumore)

Im Alter ist jeder zweite Mensch davon betroffen.


Epitheliale Hauttumore («weisser» Hautkrebs) sind in den westlichen Ländern bei Personen über 60 Jahren sehr verbreitet. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Formen epithelialer Hauttumore und die heute sehr differenziert abgestuften Behandlungsmöglichkeiten.

 

Einleitung

Durch das veränderte Freizeitverhalten seit der Mitte des 20. Jahrhunderts und die zunehmende Lebenserwartung hat die Inzidenz von Hautkrebs in den westlichen Ländern in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Ungefähr jeder zweite Erwachsene über 60 Jahren entwickelt heutzutage aktinische Keratosen (Präkanzerosen) im Gesichtsbereich. Die Verfeinerung der photodynamischen Therapie und die Einführung von Imiquimod-Crème haben die Behandlungsmöglichkeiten für grossflächige Präkanzerosen entschieden bereichert. Das Basalzellkarzinom (Basaliom) ist mit einer Inzidenz von 100 (bis 300?) neuen Fällen/100’000 Einwohner pro Jahr mit Abstand der häufigste maligne Tumor des Menschen. Meistens ist das Basalzellkarzinom, das praktisch nie metastasiert, durch eine knappe Exzision, eine Bestrahlung oder das Durchfrieren mit flüssigem Stickstoff (Kryotherapie) relativ einfach zu behandeln. In ungefähr 20-30% der Fälle infiltriert es aber mit mikroskopisch feinen Ausläufern das umliegende Gewebe. Dann ist die (meist ambulante) Chirurgie unter mikroskopischer Schnittrandkontrolle (Mohs’ mikrographische Chirurgie) die Behandlung der ersten Wahl. Das spinozelluläre Karzinom (Spinaliom) ist mit einer Inzidenz von 30 neuen Fällen/100’000 Einwohner pro Jahr weniger häufig. Es kann aber im Gegensatz zum Basalzellkarzinom bei etwa 5% der Patienten zur Metastasierung führen. Insbesondere die histologisch wenig differenzierten Formen und die tief invasiven spinozellulären Karzinome tendieren verstärkt zur Metastasierung und bedürfen daher einer rigorosen und raschen Therapie, vorzugsweise ebenfalls durch Exzision unter Schnittrandkontrolle. Organtransplantat-Empfänger (z.B. nierentransplantierte Personen) entwickeln als Folge der jahrelangen medikamentösen Immunsuppression viel rascher Hautkrebs. Zehn Jahre nach der Transplantation haben fast alle Transplantat-Empfänger leichtgradige bis fortgeschrittene Präkanzerosen und das Risiko zur Entwicklung eines spinozellulären Karzinoms steigt um einen Faktor 100-200 an. Ältere Organtransplantat-Empfänger müssen sich zum Teil mehrere epitheliale Hauttumore pro Jahr entfernen lassen, was die Transplantationsmedizin, die Dermatologie und die plastisch-chirurgischen Spezialgebiete vor erhebliche fachliche und logistische Probleme stellt.

 

Aktinische Keratose - (Präkanzerose) der Haut

Aktinische Keratosen (synonym: Präkanzerosen) sind vor allem bei hellhäutigen Personen über 60 Jahren an der Tagesordnung. Es handelt sich um gerötete und schuppende, leichter verletzliche Hautareale, die bevorzugt an den «Sonnenterrassen» des Gesichts, d.h. Glatze, Stirne, Nasenrücken, Wangen, Unterlippe und an den Vorderarmen und Handrücken entstehen. Aktinische Keratosen zählen zu den sogenannt fakultativen Präkanzerosen. Sie sind allein schon unter konsequentem Lichtschutz teilweise rückbildungsfähig. Das Risiko für den Übergang einer aktinischen Keratose in ein voll ausgebildetes spinozelluläres Karzinom ist schwer zu beziffern, aber es dürfte pro betroffene Stelle ungefähr bei 6-10% pro zehn Jahre liegen. Aktinische Keratosen mit initialer Kanzerisierung beginnen entweder zunehmend zu verhornen oder sie werden erosiv und leicht verletzlich.

 

Zur Behandlung aktinischer Keratosen steht eine ganze Reihe abrasiver Methoden zur Verfügung, welche auf eine weitestgehende Entfernung der erkrankten Oberhautzellen und die spontane Regeneration der Epidermis durch gesunde Zellen abzielen (siehe Tabelle 1). Bei Patienten mit grossflächig aktinisch geschädigter Haut ist es nicht praktikabel, dass von allen aktinischen Keratosen vor einer allfälligen Therapie Hautbiopsien entnommen werden. Aber Läsionen von unsicherer Dignität, und das sind vor allem wie oben beschrieben die ausgeprägteren hyperkeratotischen oder erosiven Stellen, ist vor einer abrasiven Entfernungsmethode eine Probebiopsie zu empfehlen. Auch geübte Kliniker können sich bei der Beurteilung unsicherer Hautläsionen täuschen, und der überraschende Befund eines mässig differenzierten spinozellulären Karzinoms oder eines szirrhösen Basalzellkarzinoms würde die
Therapieplanung zwangsläufig völlig ändern.


Zum klassischen Arsenal in der Therapie aktinischer Keratosen zählen neben der einfachen Exzision die Curettage, die Kryotherapie, die Elektrodessikation mit dem Elektrokauter, die Behandlung mit topischem 5-Fluorouracil (nicht mehr in allen Ländern erhältlich) oder die Chemoexfoliation mit 35% Trichloressigsäure. Für grossflächig aktinisch geschädigte Haut hat in den letzten fünf Jahren vor allem die inzwischen technisch verfeinerte photodynamische Therapie und die topische Behandlung mit Imiquimod die Behandlungsmöglichkeiten sinnvoll erweitert. Die beiden zuletzt genannten Methoden hinterlassen insbesondere kaum relevante ästhetische Spuren wie Narben oder Dyspigmentierungen der behandelten Haut.

 

Bei der Anwendung einer abrasiven Lokaltherapie müssen die Patienten vor allem vor grossflächigen Behandlungen gut auf die zu erwartende Erosivreaktion der Gesichtshaut vorbereitet und durch diese Krise hindurch geführt werden. Gleichzeitig ist das vermehrte Auftreten aktinischer Keratosen eine Marker-Erkrankung für ein generell erhöhtes Hautkrebs-risiko. Diese Patienten müssen begreifen, dass sie besser jetzt als nie ihre Haut vor unnötiger UV-Belastung schützen müssen und dass sie verdächtige Hautveränderungen frühzeitig ihrem Arzt melden sollten.

 

Basalzellkarzinom (Basaliom)

Die Basalzellkarzinome besitzen das Differenzierungspotential des embryonalen Haarkeims. Diese semimalignen fibroepithelialen Tumore wachsen lokal destruktiv. Metastasierung ist aber eine absolute Rarität. Ungefähr drei von vier Basalzellkarzinomen sind klinisch gut abgrenzbar und entsprechen dann histologisch in der Regel dem soliden Typ. Diese Tumore können mit verhältnismässig geringem Aufwand je nach Lokalisation und Komorbiditäten der betroffenen Patienten mittels einer einfachen spindelförmigen Exzision mit 3-4 mm Sicherheitsabstand, durch die Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff oder durch die Röntgenweichstrahltherapie behandelt werden. Die 5-Jahres-Heilungsrate beträgt für alle drei Methoden 92-96%.

 

Im Gegensatz dazu bilden die histologisch szirrhösen Basalzellkarzinome subklinische Ausläufer von oft mehreren mm Länge, die mit Rezidivraten von 20-40% weniger gut auf die oben erwähnten konventionellen Behandlungsverfahren ansprechen. Diese Tumore sind eine Domäne der schnittrand-kontrollierten Exzision, der sogenannten mikrographischen Chirurgie nach MOHS. Tabelle 2 zeigt die Behandlungsoptionen je nach Basaliom-Typ.

 

Der Exzisionsdefekt wird solange in kleinen Schritten ausgeweitet, bis die exzidierten Schnittränder unter dem Mikroskop tumorfrei sind. Erst danach wird die Rekonstruktion des Exzisionsdefektes in Angriff genommen. Damit kann die 5-Jahres-Rezidivrate für Problemtumore auf 3-5% gesenkt werden. Die mikrographische Chirurgie nach MOHS opfert so viel krankes Gewebe wie nötig und schont so viel gesundes Gewebe wie möglich. Da die Methode deutlich mehr personelle und technische Ressourcen bindet, als z.B. die einfache spindelförmige Exzision eines Hauttumors, soll sie sparsam und nur bei gegebener Indikation verwendet werden. Die beiden Hauptindikationen für die mikrographische Chirurgie nach MOHS sind die szirrhösen Basalzellkarzinome und die mässig bis wenig differenzierten oder tief invasiven spinozellulären Karzinome. Nebenindikationen sind die Lentigo maligna des Gesichts und das Dermatofibrosarcoma protuberans ein semimalignes Sarkom der Haut, das meistens am Oberkörper lokalisiert ist.

 

Spinozelluläre Karzinome der Haut

Die spinozellulären Karzinome der Haut haben eine wesentlich bessere Prognose als die Plattenepithelkarzinome der Mundhöhle und des Pharynx. Aus diesem Grund subsummieren viele Kliniker die Behandlung der spinozellulären Karzinome der Haut etwas ungenau beim Behandlungsschema der Basalzellkarzinome. Ähnlich wie bei den Basalzellkarzinomen gibt es den Hauptanteil der spinozellulären Karzinome der Haut, welche gut differenziert sind, kaum je metastasieren und durch eine einfache spindelförmige Exzision, die Kryotherapie oder eine Röntgenweichstrahlbehandlung mit 5-Jahres-Heilungsraten von 95% rasch und effizient therapiert werden können (siehe Tabelle 3). Die mässig bis schlecht differenzierten spinozellulären Karzinome der Haut und diejenigen Tumore, welche in tiefere Strukturen infiltrieren, erfordern hingegen eine rasche und radikale Behandlung, wobei wenn möglich der Chirurgie der Vorzug zu geben ist. Tiefe Infiltration kommt vor allem an den Unterlippen, den Ohren, der Glatzenhaut und am Penis vor. Die Exzision unter mikroskopischer Schnittrandkontrolle gewährleistet bei dieser aggressiveren Untergruppe der spinozellulären Karzinome die niedrigsten lokalen Rezidivraten.

 

Die 5% der aller spinozellulären Karzinome der Haut, welche lokoregionär oder generalisiert metastasieren, rekrutieren sich vorwiegend ebenfalls aus der oben genannten Untergruppe der aggressiven Tumore. Es gibt bis heute keine Daten aus randomisierten kontrollierten Studien, welche eine Therapieempfehlung zur Sentinellymphknotenbiopsie oder zur elektiven Lymphknotendissektion bei spinozellulären Karzinomen der Haut zulassen. Expertengruppen empfehlen daher in den ersten zwei Jahren dreimonatige und in den folgenden drei Jahren sechsmonatige klinische Kontrollen des Lokalbefundes und der lokoregionären Lymphknotenstationen. Dabei gilt es zu beachten, dass die Lymphe aus den zentrofazialen und der frontotemporalen Region typischerweise in die präaurikulär gelegenen Parotis-Lymphknoten drainiert.

 

Epitheliale Hauttumore bei immunsupprimierten Organtransplantat-Empfängern

Die Einführung moderner Immunsuppressiva hat die Organtransplantation wesentlich sicherer gemacht, so dass viele Transplantat-Empfänger mehrere Jahrzehnte bei guter Lebensqualität weiter leben können. Eine der wichtigsten Nebenwirkungen der Langzeit-Immunsuppression liegt in der maximal hohen Inzidenz epithelialer Hauttumore als direkte Folge der geschwächten Tumorsuppression. Nach zehn Jahren haben die meisten Organtransplantat-Empfänger mindestens erste Anzeichen von aktinischen Keratosen. Vierzig Prozent haben aber bereits ihren ersten invasiven Hautkrebs hinter sich. Im Gegensatz zur Situation bei immunkompetenten Personen, wo auf drei Basalzellkarzinome ein spinozelluläres Karzinom kommt, ist bei den Immunsupprimierten das spinozelluläre Karzinom im Verhältnis 2:1 übervertreten. Viele Langzeit-Patienten müssen sich 10-15 Jahre nach Transplantation mehrere epitheliale Hauttumore pro Jahr entfernen lassen. Für invasive Hauttumore ist bei den Immunsupprimierten die Exzision die Therapie der Wahl. Die Indikation zur Schnittrandkontrolle ist grosszügiger zu stellen, als in der immunkompetenten Situation. Postoperative Wundinfektionen treten auch bei Berücksichtigung aller Kautelen der perioperativen Asepsis unter der Immunsuppression gehäuft auf. Deshalb müssen die Patienten vor allem bei Operationen in der Nasen-, Ohren- und Mundregion rascher als gewöhnlich antibiotisch abgeschirmt werden. Die Röntgenweichstrahltherapie ist unter Immunsuppression ineffektiv und soll daher nur in Ausnahmesituationen in palliativer oder adjuvanter Indikation angewandt werden. Aktinische Keratosen und der ebenfalls stark gehäufte Morbus Bowen sprechen auch unter Immunsuppression sehr gut auf die photodynamische Therapie an. Aber auch die konventionellen abrasiven Methoden (s. Tabelle 1) können je nach Ausbreitung und Lokalisation analog zur immunkompetenten Situation angewandt werden.

 

Hautkrebs zählt bereits heute zu den häufigsten Todesursachen bei Organtransplantat-Empfängern. Organtransplantierte Patienten, welche 5-10 Jahre nach erfolgreicher Transplantation bei guter Organfunktion zunehmende Hautprobleme entwickeln, benötigen eine spezialisierte Betreuung durch eine Stelle, wo grosse klinische Erfahrung mit dem nötigen Arsenal an Behandlungsmöglichkeiten gepaart sind.

 

 

PD Dr. med. Jürg Hafner, Leitender Arzt, Dermatologische Klinik, UniversitätsSpital Zürich.


Referenzen
Literatur beim Autor



 
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